Ist Sport einfach nur Sport oder setzen wir auch beim Mountainbiken politische Statements? Das tun wir, ist sich sportingWOMEN Autorin Lisa sicher. So haben es auch 80 Prozent der Follower:innen von Freeride Anne getan als sie ihr nach ihrem Coming-out-Reel auf Instagram entfolgt sind. Über die inspirierende Geschichte von Annelina Knauf und warum es wichtig ist aus der Komfortzone der Gleichgültigkeit auszusteigen.
Ein viel zitierter Satz von IOC-Chef Thomas Bach: „Sport muss politisch neutral sein.“ Eine ehrenwerte Vorstellung. Menschen, frei von Nationalität, Hautfarbe, sexueller Orientierung, treffen sich auf dem Fußballfeld, der Skipiste, den Trails. Im Fokus: Allein die sportliche Leistung und das Beisammensein. Es könnte so schön sein. Aber, sorry to say, in so einer Welt leben wir nicht mehr. Alles was wir tun, hat politische Auswirkungen. Es fängt bei der Wahl unserer Klamotten an und hört beim Einkauf unserer Lebensmittel auf. Entscheiden wir uns für Secondhand oder die fair und umweltverträglich produzierte Radhose oder ist es uns egal und schauen wir nur auf das Preistag. Versuchen wir saisonal, regional und ökologisch erzeugte Nahrungsmittel einzukaufen oder tut es auch der schnelle Hühnchen-Burger für 1 Euro. Mit jeder unserer Entscheidungen, geben wir eine Stimme ab. Nehmen Einfluss. Die Bundeszentrale für politische Bildung fasst das so zusammen: „Politik bezeichnet jegliche Art der Einflussnahme und Gestaltung sowie die Durchsetzung von Forderungen und Zielen, sei es in privaten oder öffentlichen Bereichen.“
Wir können politische Zeichen im Sport setzen
Diese Einflussnahme reicht also auch in den Sport. Unser Hobby. Unsere Leidenschaft. Der Ort und die Tätigkeit, wo wir eigentlich all die ganzen anderen Sorgen der Welt vergessen wollen und einfach nur diesen einen Moment auf diesem einen Trail genießen wollen. Doch eben dieser Ort ist oft nur ein Abbild unserer derzeitigen Gesellschaft. Wollen wir Veränderungen in der Gesellschaft sehen? Dann können wir genau hier anfangen, in unserer Sportbubble. Wollen wir das nicht? Dann setzen wir auch damit ein Zeichen. Und entfolgen wir zum Beispiel einer Person auf Instagram, weil diese sich öffentlich als Transgender outet? Ein Zeichen unserer (politischen) Einstellung.
Denn genauso ist es Annelina Knauf passiert. Besser bekannt unter ihrem Influencernamen Freeride Anne, oder eben früher Freeride André. Im Februar 2023 postet sie ein Reel, in dem sie sich nach Depressionen und einem Suizidversuch outet, weil sie die tägliche innere Zerrissenheit zwischen identitärem und biologischen Geschlecht nicht mehr erträgt. 80 Prozent ihrer Follower:innen entfolgen ihr darauf.
Laut, bunt und anders: der Mountainbikesport?
Dabei sagt man doch gerade vom Mountainbikesport, dass er laut, bunt und anders ist. So hätte man das Mountainbiken vielleicht beschreiben können, als es Anfang/Mitte der 1970er Jahre in Kalifornien entstanden ist. Klar, die frühen Mountainbiker:innen waren laut, bunt, anders. Es waren die wilden 70er und allem „normalem“ wollte man entfliehen. Ob mit Rock’n’Roll, Drogen oder eben einem Fahrrad mit Ballonreifen aus den 1930er Jahren auf einer Schotterpiste im Marin County. Was man mit einem Fahrrad im freien Gelände anstellen kann? Davon hatte davor niemand eine Ahnung. Bis eben Gary Fisher, Joe Breeze und Charles Kelly den knapp 800 Meter hohen Mount Tamalpais mit dem Rad erkunden wollten. Der Rest? Geschichte, wie man so schön sagt.
Und heute? Rund 50 Jahre später? Ist der Sport immer noch laut, bunt und anders? Würde man eventuell klassische Wandernde in den Bayerischen Alpen befragen, könnte man mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese die Frage mit einem deutlichem „Ja!“ beantworten würden. Doch schaut man in die Bikeparks, Trailnetzwerke und auf die Bikefestivals, dann sind zwar eventuell die Klamotten bunt und der ein oder andere Freilauf lauter als der andere, doch so viel bunter und anders als andere Outdoorsportarten ist das Mountainbiken nicht. Bisher.
Zum Glück gibt es aber auch noch die 20 anderen Prozent von Annes Follower:innen. Mountainbikende, die den Sport diverser und inklusiver, ja, bunter, machen wollen. Denn weiße, mittelalte Männer auf Mountainbikes in den verschiedensten Destinationen haben wir mittlerweile zu genüge gesehen. Zu den Mountainbiker:innen, die etwas ändern wollen, gehört zum Beispiel Bine Herzog, die Anne direkt nach ihrem Outing zu den Girls Shred Events eingeladen hat. Oder Marie-Theres Riml von der Bike Republic Sölden, die mit Anne sogar die neue Werbekampagne für 2024 gedreht hat.
Wie wir Menschen im sportlichen Umfeld begegnen, so begegnen wir ihnen auch in anderen Kontexten. Wir können nicht sagen: „Ja, hier gehts doch aber nur ums Biken und ich will auf meinem Instagram-Account nur coole Mountainbiker sehen.“ Wenn es NUR ums Biken gehen würde, dann müssten wir hier heute gar nicht sitzen. Dann würden ja nicht so einfach 80 Prozent der Follower:innen nach einem Reel verschwinden. Wenn es nur ums Biken gehen würden, dann wär es doch egal, WER auf dem Fahrrad sitzt.
Aber diese Diskussion gibt es schon so lange wie es Fahrräder gibt. Für viele sind mountainbikende Frauen ja auch immer noch ein Novum.
Schluss mit der Gleichgültigkeit: Der Outdoorsport muss für alle zugänglich sein
Wie machen wir also weiter? Damit, Dinge anzusprechen. Den Sport aktiv inklusiver, diverser machen. In den USA gibt es zum Beispiel schon erste Initiativen wie The Outdoorist Oath. Eine der Mitgründer:innen ist Drag Queen Pattie Gonia und Ziel der Initiative ist es, dass der Outdoorsport jede:r zugänglich gemacht wird und wir uns durch diese Zugänglichkeit und Freiheit auch alle für unseren Planeten einsetzen.
Deswegen: Schluss mit der Gleichgültigkeit und Popo aus der Sofaritze bekommen. „Es gibt kaum eine Gruppe, die so viel Einfluss auf die Weltgeschichte hat wie die Gleichgültigen. Und das Bemerkenswerte daran ist, niemand spricht von ihnen. Ihre Passivität hat die radikalsten Umbrüche ermöglicht. Die Gleichgültigen nehmen alles hin, wie es kommt. Sie sind weder dafür noch dagegen. Engagement ist für sie ein rotes Tuch; mit der Zeit stumpfen sie ab“, so bringt es der Schriftsteller Rafik Shami auf den Punkt. Willst du Teil dieser Masse sein?
Podcast mit Freeride Anne
Wir nicht. Deswegen wollen wir diese Gleichgültigkeit nicht hinnehmen, sondern den Mountainbikesport bunter, lauter und anders machen. Deswegen ist die neue Folge des sportingWOMEN Podcast eine ISPO Special Edition und Chris von ispo.com spricht mit Freeride Anne über ihre inspirierende Geschichte und wie inklusiv der Mountainbikesport ist. Unterstützt werden die beiden von Bine Herzog und Marie-Theres Riml. Viel Spaß beim Hören!
sportingWOMEN ist dein Podcast für mehr #strongHER-Momente im Alltag! Zu Wort kommen spannende Frauen aus der Sportwelt, -branche und sportingWOMEN-Community. Mit ihren Geschichten inspirieren, empowern und motivieren sie dich – ganz gleich, ob du den Podcast beim Sport, im Auto oder einfach zwischendurch hörst.
Annelina Knauf, besser bekannt unter ihrem Influencer Nickname Freeride Anne, ist im falschen Körper geboren. Das weiß sie, seit sie vier Jahre alt ist. Die Zerrissenheit zwischen identitärem und biologischem Geschlecht begleitet sie jahrelang – inkl. dramatischer Folgen. Halt und Unterstützung findet sie im Mountainbiken und vor allem in der Mountainbike-Community. In dieser ISPO Special Edition des sportingWOMEN Podcast teilt Anne ihre inspirierende Geschichte.
Der heutige Host Chris spricht außerdem mit Bine Herzog, Gründerin der Girls Shred-Eventreihe und Marie-Theres Riml von der Bike Republic Sölden darüber, was die Mountainbike-Community ausmacht, wie wir uns gegenseitig mehr unterstützen können und über den Umgang mit Transgender-Menschen im Sport.
Dieser Podcast ist eine ISPO Special Edition und ist in Zusammenarbeit mit ispo.com entstanden.
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Mehr über Annes Geschichte im Detail liest du auch auf ISPO.com: Freeride Anne: Vom Downhill Influencer zum Transgender Role-Model