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Alles grün? Diese Nachhaltigkeitstrends in der Outdoorbranche solltest du kennen

outdoor nachhaltig

Alles soll immer nachhaltiger und umweltbewusster werden. Natürlich auch unser Sportequipment. Aber was macht eigentlich die Outdoorbranche dafür? Welche Produktinnovationen gibt es und wieso sollten wir öfter auf Secondhand setzen?

Umweltfreundlich. Fair. Nachhaltig. Wer hat diese Begriffe die letzten Jahre nicht rauf und runter gehört, gelesen oder selbst gesagt. Nachhaltigkeit ist aus der Öko-Nische in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Nicht zuletzt wegen Fridays for Future Demos, Hitzewellen und Hochwasserkatastrophen in den Nachrichten. Das Zukunftsinstitut stuft Neo-Ökologie sogar als wichtigsten Megatrend unserer Zeit ein: „Umweltbewusstsein wird vom individuellen Lifestyle zur gesellschaftlichen Bewegung. Nachhaltigkeit vom Konsumtrend zum Wirtschaftsfaktor. Und die Klimakrise zur Grundlage einer neuen globalen Identität.“ 

So auch in der Outdoorindustrie, wenn man Werbeplakate liest: 1% for the planet. Aus recycelten Materialien hergestellt. PFC-frei. Wohl kaum ein Marketingtool der Outdoorhersteller ist in den letzten Jahren ohne grünen Anstrich ausgekommen. Fakt ist: Nachhaltigkeit ist in der Outdoorbranche angekommen. Endlich. Wurde die Branche doch vor kurzem noch dafür kritisiert, dass sie mit der Natur ihr Geld verdient und dann umweltschädliche PFCs durch wasserdichte Bekleidung in ebendiese jagt. Aber was tut sich so bei den Herstellern? Welche Trends gibt es? Bei welchen Produktentwicklungen lohnt sich der zweite Blick und was hat es mit dem Trend Secondhand auf sich?

Trendthema recycelte Materialien

Ein Trend, der schon die letzten Jahre immer stärker wächst, ist der Einsatz von regenerierten, ugs. recycelten Materialien. Statt auf herkömmliches Mesh, setzen die Hersteller vermehrt auf wieder aufbereitete Materialien wie z.B. Econyl. Das ist eine zu 100 Prozent regenerierte und regenerative Nylonfaser, die aus Nylonabfällen, wie zum Beispiel ausgedienten Fischernetzen, von dem italienischen Produzenten Aquafil hergestellt wird. Partner aus der ganzen Welt versorgen Aquafil durch ein eigens eingeführtes Rücknahmeprogramm mit solchen Abfällen aus Deponien und Ozeanen, die dann in mehreren Verarbeitungsschritten zu neuen Nylonfasern gearbeitet werden. In ihrer Funktion unterscheiden sie sich nicht von herkömmlichen Nylonfasern, sie können allerdings immer wieder recycelt und neu geformt werden. Nach Angaben des Herstellers Aquafil sparen 10.000 Tonnen Econyl rund 70.000 Fässer Rohöl ein und vermeiden 57.100 Tonnen CO2-Emissionen. So reduziert die Herstellung von Econyl die Auswirkungen auf den Treibhauseffekt um rund 80 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Nylonfasern. Econyl kommt in Schuhen, aber auch in Bademode zum Einsatz.

Fischernetze auf Schiff
Fischernetze zählen zu den beliebtesten Quellen für rezykliertes Nylon. Wie hier von Patagonia und Bureo NetPlus. Foto: Jürgen Westermeyer/Patagonia

Neben Econyl setzt auch Bureo NetPlus auf die Weiterverarbeitung von ausgedienten Fischernetzen. Ursprünglich wurde Bureo dadurch bekannt, dass sie die ersten Skateboards aus regenerierten Fischernetzen herstellten. Mittlerweile hat sich das Unternehmen, u.a. mit der Hilfe von Patagonia, weiterentwickelt und arbeitet jetzt vor allem mit Fischern in Chile zusammen. Wegen fehlender Alternativen wurden davor die meisten abgenutzten Fischernetze direkt im Meer entsorgt. Durch NetPlus will Bureo verhindern, dass die Netze im Meer landen und bessert so gleichzeitig das Einkommen der Fischer vor Ort auf. Die Netze werden in Chile sortiert, gereinigt und zerkleinert und dann zu 100% recycelten Nylonpellets, die als NetPlus bezeichnet werden, verarbeitet. Diese Pellets können dann zu geformten Kunststoffprodukten, Komponenten oder Fasern verarbeitet werden. Unternehmen kaufen NetPlus als umweltfreundliche Alternative zu unbehandelten Kunststoffen. Patagonia verwendet NetPlus z.B. für die hauseigenen Caps oder die beliebten Baggies Shorts. Auch Trek setzt auf das Material und stellt daraus seinen Bat Cage Flaschenhalter her. 

Aber auch eigene Produktionsreste werden bei vielen Herstellern recycelt: Deuter hat beispielsweise bei der Infiniti Serie 100 Prozent funktionsfähige Überschüsse aus der eigenen Produktion verwendet. 

Beim Thema recycelte Materialien könnten wir wohl ewig so weiter machen und diesen Artikel um immer neue Trends ergänzen. Das fängt bei recyceltem Gore-Tex an und hört bei recycelten Naturmaterialien wie Daune oder Wolle auf. Doch bei den Naturmaterialien wollen wir noch einen kurzen Stopp einlegen. 

Zurück zu den natürlichen Funktionsmaterialien

Denn neben recycelten Kunstfasern spielen in der Outdoorbranche vor allem Naturmaterialien wieder eine wichtige Rolle. Klar denken wir da alle sofort an Merinowolle. Und damit hat wahrscheinlich auch alles angefangen, aber die Innovationen der Hersteller reichen viel weiter. Vaude hat beispielsweise ein Fleecematerial aus Zellulosefasern entwickelt, das zu 100% aus nachhaltig gewonnenem Eukalyptus- und Buchenholz besteht. Aus dem Lifestylebereich kennt man die Faser bereits unter dem Namen Tencel oder Lyocell. Zellulosefasern bieten dir  laut Vaude feuchtigkeitsregulierende Eigenschaften, tragen sich seidenweich auf der Haut und sorgen für ein angenehm kühles Tragegefühl. 

Hanfblätter
Naturmaterialien liegen absolut im Trend. Neben Merinowolle statten Outdoorhersteller ihre Produkte jetzt vorwiegend mit Hanffasern aus. Foto: Matthew Brodeur/Unsplash

Vaude und Schöffel setzen außerdem auf gebrauchten Kaffeesatz. Hier steckt das sogenannte S.Café Recycled Polyester dahinter. Einer Spinnmasse aus recyceltem, geschmolzenen Polyester-Granulat wird gebrauchter Kaffeesatz beigemischt. So ist das Material teilweise biobasiert, schnelltrocknend mit UV-Schutz, und erhält eine antibakterielle Wirkung, die Gerüche vermeidet. 

Zu den weiteren absoluten Trendmaterialien, die in den letzten Jahren immer beliebter geworden sind und aus dem noch in den kommenden Saisonen einige Produkte in die Shops kommen werden, ist Hanf. Nicht nur als CBD-Tropfen, -Tee oder in Gesichtscremes ist die Pflanze auf dem Vormarsch, nein, auch in deiner nächsten Bergsportbekleidung. Kein Wunder, schließlich ist Hanf eine der ältesten Nutzpflanzen und von Natur aus schweiß- und geruchshemmend, wirkt feuchtigkeitsregulierend, trocknet leicht, kühlt bei Hitze und ist robust, abriebfest sowie antibakteriell. Zudem wächst der Alleskönner nicht nur schnell, sondern fast überall und benötigt beim Anbau wenig Wasser und keine Pestizide. Salewa hat neben seinem Headquarter in Bozen deshalb schon ein eigenes Hanffeld angelegt und Maloja hat ihn direkt zu seinem neuen Lieblingsmaterial erklärt. 

Vom Recycling zur Kreislaufwirtschaft

Allein Naturmaterialien und Recycling bringen aber nichts, wenn wir in Zukunft nachhaltiger und vor allem ressourcenschonender unterwegs sein wollen. Das sehen auch die Outdoorhersteller so und  deswegen versuchen sie einen Schritt weiterzugehen und Produkte so zu entwickeln, dass sie nach ihrem Lebenszyklus und ihren Abenteuern mit uns wieder zu neuen Produkten weiterverarbeitet werden können. Houdini verzichtet aus diesem Grund z.B. auf gemischte Materialien in ihren Produkten, da es viel schwieriger ist einen Materialimix zu recyceln statt einfach nur reine Wolle. Sympatex plant beispielsweise, dass bis 2030 alle Rohstoffe für ihre Funktionslaminate aus einer zirkulären textilen Lieferkette stammen. 

Skischuhe bereit für Recycling
Tecnica haucht alten Skischuhen mit dem hauseigenen Recyclingprogramm neues Leben ein. Foto: Tecnica

Und wie siehts bei der Ausrüstung aus? Da hat Tecnica mit Recycle your Boots ein eigenes Recyclingprogramm nur für Skischuhe vorgestellt. Wenn du dir ein neues paar Tecnica Skischuhe kaufst, kannst du dein altes Paar einfach zurückgeben und Tecnica kümmert sich um den Recyclingprozess. Dazu arbeitet Tecnica ab Winter 2022/23 mit Sportfachhändlern im gesamten Alpenraum zusammen. Dort werden die Schuhe gesammelt und anschließend in Italien in ihre Einzelteile zerlegt und in Sekundärrohstoffe umgewandelt, die dann in der industriellen Produktion wiederverwendet werden können. 

Es muss nicht alles neu sein: Trend Ausleihen und Secondhand

Jetzt haben wir viel über neue Produkte nachgedacht. Aber das nachhaltigste ist ja eigentlich, wenn man gar nicht immer alles neu kauft, sondern das nutzt, was man bereits hat, Gebrauchtes kauft oder sich die Dinge einfach ausleiht. Das sehen auch die Hersteller so und deshalb haben z.B. Deuter, Haglöfs, Vaude oder Houdini ihre eigenen Secondhand Shops gegründet. Über ihre Webseiten, eigene Shops in der Firmenzentrale oder in Zusammenarbeit mit Ebay verkaufen sie wieder aufbereitete und geprüfte Produkte. Selbst die Bergsport-Plattform Bergzeit hat mit RE-USE ihren eigenen Secondhandshop ins Leben gerufen und verkauft dort gebrauchte und geprüfte Ware der eigenen Kundinnen und Kunden.

Und wenn der Kleiderschrank schon voll ist, du aber unbedingt mit deiner besten Freundin auf Skitour gehen möchtest? Dann leih dir doch einfach die passenden Produkte aus. Bei Ortovox kannst du z.B. Schaufel, Sonde, LVS-Gerät oder Rucksäcke leihen. Die Abwicklung erfolgt über Händler, mit denen Ortovox zusammenarbeitet. Bei Pyua kannst du sogar direkt über die Webseite deine Lieblingsprodukte zusammenstellen und mieten. Von vier Tagen bis zu ganzen 90 Tagen. Und bei Deuter kannst du dir für den Familienurlaub die passende Kraxe an fünf Bergbahnen im Allgäu leihen.

Outdoor geht auch nachhaltig mit Second Hand
Ausleihsysteme und Secondhandshops haben auch die Outdoorbranche erreicht. Foto: Luis Otto/Unsplash

Und wenn du jetzt keine Winterausrüstung sondern lieber Laufausrüstung leihst? Dann hol dir das Abo Cyclon des Cloudneo bei On. Seit Sommer 2022 kannst du für den nachhaltig hergestellten Laufschuh, das Obermaterial ist übrigens aus den Bohnen der Rizinuspflanze, ein monatliches Abo abschließen. Dann bekommst du den Cloudneo zugeschickt und nach sechs Monaten kannst du ihn wieder an On zurückschicken und bekommst dafür einen neuen. Dein alter wird in seine Einzelteile zerlegt und daraus entsteht wieder ein neuer Cloudneo. 

Neue Geschäftsmodelle statt neue Produkte

Aber allein Secondhand Shops oder Ausleih-Systeme sind nicht alle alternativen Geschäftsmodelle, mit denen sich die Outdoorbranche auseinandersetzt. Patagonia setzt beispielsweise in den USA mit Patagonia Provisions auf verantwortungsvoll erzeugte Lebensmittel wie Muscheln, Lachs oder auch Kaffee und Bier. Firmengründer Chouinard verfolgt damit das Ziel die globale Landwirtschaft neuzudenken. Vaude will mit der Vaude Academy ihr eigenes Wissen über umweltfreundliches und faires Wirtschaften an andere Unternehmen weitergeben und so weitere Unternehmen zu einem Transformationsprozess anregen. 

Der Deal mit den CO2-Zertifikaten

Allerdings ergreifen Outdoorunternehmen nicht nur komplett neue Geschäftszweige, sie wollen das eigene Wirtschaften auch so umweltverträglich wie möglich gestalten. Deswegen werben immer mehr Unternehmen damit, dass sie jetzt klimaneutral wirtschaften. Das klingt auf den ersten Blick positiv und fortschrittlich, aber leider stellen nicht alle Unternehmen ihre Wirtschaftsweise um, sondern kaufen sich CO2-Zertifikate, um so den eigenen CO2-Ausstoß zu kompensieren. Dass das nicht die Lösung für unsere Probleme sein kann, kannst du dir jetzt wahrscheinlich auch denken. Denn es ändert ja nichts daran, dass man die gleiche Menge an CO2 verursacht. Das kann für den Moment eine Zwischenlösung sein, die Unternehmen müssen aber Lösungen finden, um auf lange Sicht ihren CO2-Ausstoß zu senken.

Fazit zu Nachhaltigkeit in der Outdoorbranche

Recycelte Skischuhe kleingehäckselt
Recycling, Secondhand und neue Geschäftsmodelle – die Outdoorbranche macht bereits einiges im Blick auf Nachhaltigkeit. Aber es kommt auch auf uns an. Foto: Tecnica

Jetzt habe ich viel erzählt über recycelte Materialien, Naturfasern und neue Geschäftsmodelle. Und alles habe ich trotzdem nicht erwähnen können. Sonst würde hier draus wohl eher ein Buch statt ein Onlineartikel werden. Doch was ist jetzt das Fazit? Die Outdoorbranche macht viel im Bereich Nachhaltigkeit. Punkt. Das ist einfach so. Andere Branchen können sich da bestimmt noch etwas abschauen. Und doch ist die Outdoorbranche nicht perfekt. PFCs kommen immer noch zum Einsatz und es ist nun mal eine Branche, die davon lebt, dass neue Produkte gekauft werden. Vor allem von uns. Deswegen sollten wir wahrscheinlich nicht immer direkt mit dem Finger auf andere zeigen, sondern direkt bei uns selbst anfangen. 

Und uns fragen: Brauche ich die neue Jacke wirklich? Müssen es die neuen Bikeschuhe sein und wenn ja, kann ich nicht eine fair und umweltbewusst produzierte Alternative kaufen? Denn wenn wir die Nachfrage auf solche Produkte erhöhen, dann werden die Produkte auch immer nachhaltiger. Und wenn mehr Secondhand gekauft wird, dann wird sich auch dieses Geschäftsmodell durchsetzen. Alles hängt wie immer mit allem zusammen. So sind wir alle ein Teil davon, dass Nachhaltigkeit kein Nischenthema mehr ist, sondern in Zukunft auch wirklich gelebt und umgesetzt wird. 

Titelbild: Noah Buscher/Unsplash

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Laufen, Radfahren oder Bergsport: Hier findest du alles rund um dein Hobby, deine Auszeit und deine sportlichen Lieblingsthemen! Gemeinsam mit den sportingWOMEN-Markenbotschafterinnen sowie weiteren Sport-Expertinnen inspiriert und motiviert die #strongHER-Redaktion mit spannenden Storys, Tipps und mehr.

Lisa Amenda

Lisa Amenda

Lisa Amenda studierte in München und Innsbruck Geographie, weil sie ursprünglich mal lieber draußen statt drinnen arbeiten wollte. Ihre Liebe zum Schreiben hat sie dann doch vor den Computer gebracht. Deswegen schreibt sie heute für diverse Outdoor- sowie Skimagazine und ihren Blog Wild Recreation über Nachhaltigkeit, Outdoorsport und die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Nebenbei unterrichtet sie Yoga und gibt Kneipp Coachings.

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