Skifahren ist nicht nur Sport, es ist Kultur, Lebensentwurf, kurz Leidenschaft. Warum unsere Autorin Lisa Ski fährt und sie auch Klimawandel und steigende Ticketpreise nicht von dieser schönsten aller Zeitverschwendungen abhalten können.
Heute Morgen war es schon fast soweit. Es lag diese besondere Kälte in der Luft. Die Kälte, die eigentlich nur zu spüren ist, wenn sich der erste Schnee ankündigt. Die ersten Flocken, die langsam das goldene Herbstlaub weiß färben. Die Gehwege, Straßen und Häuserdächer unter dem begraben, was vielen das Herz höher schlagen lässt. Was mir das Herz höher schlagen lässt. Der erste Schnee. Denn obwohl ich witterungsbedingt mittlerweile deutlich mehr Mountainbike als Ski fahre, bin ich immer noch Skifahrerin. Leidenschaftliche. Und werde es immer sein.
Skiing was my first love
Doch sind wir einmal ehrlich: Skifahren ist reine Zeitverschwendung. Das hat schon Freeski-Legende Glen Plake gesagt. Oder was sollte es uns bringen auf zwei Brettern erst Hänge hinauf zu stapfen – wenn man Skitouren geht – um sie dann wieder hinunter zu fahren?! Nichts, würde jetzt jeder rationale Mensch sagen. Eine Menge, würde ich antworten. Denn „Skiing was my first love“, kann ich so schön sagen. Mit drei stand ich das erste Mal auf den Brettern, die heute sportlich gesehen immer noch die Welt für mich bedeuten. Danach ging es übers klassische Stangerl fahren – Riesenslalom und Slalom waren meine Disziplinen – ins Backcountry. Ich gehörte zu der glücklichen Generation, die die Entwicklung der ersten Twintips live mitverfolgen durfte und einen der ersten Völkl Vs (#IYKYK) in der Garage stehen hatte. Zum Geld verdienen im Studium? Klar, gab ich Skiunterricht. Und jetzt? Verdiene ich mein Geld in dem ich u.a. für Skimagazine schreibe, für Skifirmen arbeite oder Yoga for skiers unterrichte.
Skifahren zieht sich also durch mein Leben wie die schönste Powderline. Aber was macht diesen Sport für mich aus? Ist es das wohlig schwerelose Gefühl, dass ich habe, wenn ich mit meinen Ski einen unverspurten Hang hinab gleite? Der aufwirbelnde Pulverschnee mir kurz die Luft zum Atmen nimmt, um sich dann feinkristallig in meinen Haaren zu verfangen? Die scharf geschliffenen Kanten, die sich Schwung um Schwung in das noch jungfräuliche Muster einer frisch gewalzten Piste zeichnen und man genau den Punkt zwischen optimalem Grip und butterweichem Untergrund erwischt?
Natürlich, aber es ist auch einfach so wie Christian Weber in seiner „Kleinen Philosophie der Passionen – Ski fahren“ schreibt:
„Man könnte natürlich auch koksen, aber das soll auf Dauer der Nasenschleimhaut schaden, ist ziemlich teuer und bringt irgendwann Ärger mit der Polizei. Was das halluzinogene Potenzial angeht, dürfte der Schnee unter den Skiern dem Schnee in der Nase ohnehin in nichts nachstehen: Glück feuert durch die Synapsen, die Sinne steigern sich und für einen Moment ist das Leben einfach und schön.“
Oder doch nur nostalgische Romantisierung?
Dieses Zitat kommt dem Gefühl, das ich auf Ski habe, wohl am nächsten. Kein Wunder, dass ich es in meiner Jugend überall zitieren musste. Wer sonst hatte so gut erfasst, was Skifahren bedeuten kann. Dieser eine Moment, in dem das Leben einfach und schön ist.
Noch schöner machen diese Momente nur Menschen mit denen wir sie teilen können. Und was soll ich sagen, auch das habe ich dem Skifahren zu verdanken: meine ältesten Freunde. Kennengelernt haben wir uns im Skiclub und noch heute sind wir gut befreundet. Mal getrennt durch Studium, Job, Wohnort, haben wir doch immer diese eine Sache, die uns für immer verbindet. Das Skifahren. Die Erinnerung an gemeinsame Skitouren im Tannheimer Tal, selbstgeschaufelte Kicker im Backcountry von Grasgehren oder die ersten Skifilme, die wir uns auf VHS-Kassette und ganz ohne Internet über mehr als nur einen Umweg bis ins Unterallgäu beschafft haben. Auch heute fühle ich mich sofort mit Menschen verbunden, die leidenschaftlich gerne Skifahren. Der erste gemeinsame Nenner ist quasi schon geschafft.
Und ja, unsere Welt verändert sich. Meine nostalgische Romantisierung von meterhohen Schneebergen im Allgäu wird mit dem Klimawandel mit einem Mal zurück in die oft schneelose Realität katapultiert. Nicht duldbare Erweiterungspläne von Skigebieten und absurd teure Ticketpreise machen das nicht besser. Und doch macht mein Herz einen leichten Satz, wenn der erste Schnee fällt. Mein Skischuh mit dem gewohnten Klick in der Bindung einrastet. Ich kurz meinen Skistock mit der rechten Hand nachgreife, bevor ich mich abdrücke und den ersten Schwung setze. Denn dann ist für einen Moment das Leben einfach und schön.