Durch hüfttiefen Powder schweben oder einsame Touren im Backcountry gehen? Welche Skifahrerin oder Snowboarderin träumt nicht davon. Doch willst du sicher abseits der gesicherten Lawinen unterwegs sein, ist Lawinenkunde absolutes Muss. Zum Einmaleins der Lawinenkunde zählt der Lawinenlagebericht. Aber was steht da eigentlich drin und wie ist er aufgebaut?
Die Ski tauchen ab, das pulvrige Weiß nimmt mir den Atem und jeder Schwung fühlt sich schwerelos und frei an. Freeriden übt beim Skifahren eine besondere Faszination aus. Und ich kann mich da nicht ausnehmen. Schon immer war es für mich das Größte abseits der Pisten zu fahren. Auf den Pisten mag ich es auch, aber im uverspurten Gelände, in der, wenn man so will freien Natur, hat Skifahren nochmal eine andere Bedeutung. Einen anderen Stellenwert. Doch mit dieser Freiheit, kommen auch Risiken denen wir uns stellen müssen und auf die wir uns bestmöglich vorbereiten sollten. Denn ein essentieller Teil beim Freeriden und Skitourengehen ist die Lawinenkunde.
Im Backcountry bewegen wir uns im freien Gelände, im „nicht gesicherten“ Raum. Heißt, hier ist nicht vorab die Lawinenkommission unterwegs und sprengt gefährdete Bereiche. Wir sind für uns und andere am Berg selbstverantwortlich. Deswegen ist es so wichtig sich stetig in der Lawinenkunde weiterzubilden, mit dem eigenen Equipment sicher (!) umgehen zu können und im Ernstfall souverän (re-)agieren zu können.
Das Einmaleins der Lawinenkunde
Jede Wintersportlerin, die sich abseits der gesicherten Pisten bewegt – sei es auf Ski, Snowboard oder Schneeschuhen – sollte sich mit dem Einmaleins der Lawinenkunde vertraut machen. Hierzu gehört, dass man weiß welche Lawinenwarnstufe am jeweiligen Tag gilt. Diese findest du im Lawinenlagebericht oder auch Lawinenbulletin genannt. Der Lawinenlagebericht enthält detaillierte Informationen zur tagesaktuellen Schneedecken- und Lawinensituation sowie zur erwartenden Lawinengefahr in einer Region für den Zeitraum bis zur Herausgabe des nächsten Berichts. Er zählt zur Pflichtlektüre, bevor wir uns ins Backcountry begeben. Europaweit sind alle Lawinenlageberichte nach dem gleichen Prinzip aufgebaut und werden meist in den Wintermonaten täglich um 18 Uhr von den zuständigen Lawinenwarnzentralen herausgegeben.
Aufbau des Lawinenlageberichts
Ganz oben findest du im Lawinenlagebericht eine Karte, auf der die Gefahrenstufen der einzelnen Regionen farblich markiert sind. Europaweit sind fünf einheitliche Lawinenwarnstufen festgelegt:
Die jeweils ausgegebene Gefahrenstufe gilt immer für eine Region mit einer Fläche von >100 km² und nicht für einen bestimmten Einzelhang. Die Lawinengefahrenstufe ist eine Prognose, die mit Unsicherheiten behaftet ist und gilt somit nicht prinzipiell für jeden Hang gleichermaßen. Es kann also durchaus sein, dass es trotzdem in bestimmten Bereichen schneller und leichter zu Auslösungen kommen kann als laut Gefahrenstufe eigentlich üblich. Zusätzlich zur Lawinenwarnstufe werden alle relevanten Informationen einfach leserlich und schnell erfassbar in Piktogrammen dargestellt. So kannst du auf einen Blick Gefahrenstufe, Informationen zu den Lawinenproblemen sowie besonders betroffene Hangrichtungen und Höhenbereiche herauslesen. Ähnlich wie die Gefahrenstufen sind auch die Lawinenprobleme einheitlich von den europäischen Lawinenwarndiensten benannt und gliedern sich in:
- Neuschnee
- Altschnee
- Triebschnee
- Gleitschnee
- Nassschnee
Pro Tag können auch mehrere Lawinenprobleme angegeben werden, wobei das am stärksten ausgeprägte Problem immer an erster Stelle genannt wird.
Mehr zu den Lawinenproblemen findest du bei der EAWS (European Avalanche Warning Services) zusammengefasst: Zu den Lawinenproblemen.
Die Windrose bildet die betroffenen Hangrichtungen ab, in denen die zuvor beschriebenen Lawinenprobleme zu finden sind. Diese Hangrichtungen solltest du im Backcountry am besten meiden oder besonders aufmerksam und risikobewusst unterwegs sein.
Zusätzlich werden die Höhenbereiche bzw. -grenzen in Piktogrammen angegeben. Diese markiert die Grenze bzw. den Übergang zwischen den Gefahrenstufen. Da es in der Natur keine scharfen und exakten Grenzen gibt, solltest du auch diese Angabe als fließenden Prozess sehen, also als einen Übergangsbereich von einer Gefahrenstufe zur nächsten.
Im Anschluss folgt der Fließtext. Dieser gehört neben den Piktogrammen und der Übersichtskarte zur absoluten Pflichtlektüre, wenn du im Gelände unterwegs bist. Er beschreibt detailliert die vorherrschenden Gefahrenmuster sowie den Schneedeckenaufbau und gibt bereits eine Tendenz für die Entwicklung in den nächsten Tagen an – und wie sich auch das Wetter in den kommenden Tagen auf die Lawinengefahr auswirkt.
Der Text beschreibt im ersten Satz kurz und prägnant, was für die ausgewählte Region an diesem Tag am wichtigsten ist. In der Gefahrenbeurteilung folgt neben den zu beachtenden Lawinenproblemen ebenso die Zusatzbelastung, die für eine Lawinenauslösung nötig ist, wo sich Gefahrenstellen befinden können, wie viele es davon gibt und wie groß potenzielle Lawinen werden können. Sollten die Begriffe, die hier auftauchen nicht geläufig sein, kannst du jederzeit im Glossar der EAWS nachschlagen.
Wer macht den Lawinenlagebericht?
Der Lawinenlagebericht wird von den jeweiligen Lawinenwarndiensten herausgegeben. Unter anderem ehrenamtliche Helfer:innen führen dazu in den frühen Morgenstunden Beobachtungen zu Wetter und Schneedecke an einer Beobachtungsstation durch. Sogenannte Nachmittagsbeobachter:innen, die im Tagesverlauf im Gelände unterwegs sind, geben ihre Beobachtungen zu den Schneeverhältnissen und zu Lawinenaktivitäten an die Lawinenwarnzentralen weiter.
Wie nutze ich die Informationen aus dem Lawinenlagebericht im Gelände?
Bist du im Backcountry unterwegs, dann solltest du die Informationen aus dem Lawinenlagebericht stets mit deiner Umgebung abgleichen. Wie oben bereits kurz angedeutet, gilt der Lawinenlagebericht für eine ganze Region, in deinem Gebiet und an deinem ausgewählten Hang kann sich deshalb die Situation ganz anders darstellen. Achte auf Gefahren- und Alarmzeichen, von frischen Triebschneezeichen über „Wumm“-Geräusche, starke Erwärmung oder Lawinenabgänge. Ist die Lage vor Ort kritischer als gedacht? Dann passe deine Pläne entsprechend an.
Schnee- und Lawinenwissen ist sehr umfangreich und du solltest dich in regelmäßigen Abständen immer wieder in Kursen fortbilden – und trotzdem immer wachsam und gut vorbereitet sein. Nur so kannst du abseits möglichst sicher und unbeschwert unterwegs sein.