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Mit Kälte (schneller) regenerieren

Leiter in zugefrorenen See

Eisbaden, Eistonne, you name it. Kaltwasseranwendungen nach dem Sport sind der Trend. Aber was bringen sie, wieso reagiert unser Körper auf kaltes Wasser und was kann ich ganz einfach zuhause selbst machen?

Klar, vom Iceman alias Wim Hof hat mittlerweile im Sportbereich wahrscheinlich jede:r schon gehört. Er steht heute wie kaum ein anderer für Eisbaden und Kälte. Es gibt eigene Wim Hof Camps, Expeditionen und du kannst dich sogar selbst zum Instructor der Wim Hof Methode weiterbilden. Doch dabei hat Wim Hof die Kältetherapie gar nicht erfunden. Die Verwendung von Wasser zu Heilzwecken gehört nachweislich zu den ältesten Therapieformen unserer Geschichte. Bei den Griechen und Römern zählten kalte und warme Bäder beispielsweise schon zum Alltag. Von Hippokrates über Aristoteles, überall spielte das Wasser und sein Gebrauch zur Erhaltung der Gesundheit und Heilung von Krankheit eine bedeutsame Rolle. Durch die Völkerwanderungen ging die Badekultur verloren und tauchte erst im Mittelalter und dann ab dem 17. und 18. Jahrhundert wieder auf. Über die Wirkung von kaltem Wasser wurden beispielsweise schon im 18. Jahrhundert Bücher verfasst und bereits im 19. Jahrhundert begründete Sebastian Kneipp die Kneipplehre. Aber warum hilft uns Kälte eigentlich so gut?

Wieso frieren wir?

Unser Körper lebt meist auf einer Temperatur von 37°C – und die will er auch halten. Das ist die Temperatur, bei der der menschliche Körper am besten funktioniert. Wird es also heiß, kühlt er aktiv herunter. Und setzen wir unserem Körper Kälte aus, heizt er auf. Grob gesagt. Fällt die Außentemperatur unter 15°C verengen sich die Blutgefäße unserer Haut, damit nicht zu viel Wärme verloren geht. Der Blutstrom wird zu den überlebenswichtigen Organen und damit zur Körpermitte umverteilt. Hände, Füße, Ohren oder Lippen werden kalt. Weil der Körper hier einfach die Blutzufuhr drosselt. Auch über Gänsehaut und Zittern hat der Körper zwei Gegenreaktionen gegen die Kälte geschaffen. Beim Zittern spannt unser Körper Muskeln immer wieder an. Dadurch entsteht Wärme. Auch unsere kleinen Körperhärchen haben um sich herum kleine Muskeln, auch die spannen sich bei Kälte an, um Wärme zu produzieren. Wir sehen sie als Gänsehaut.

Wenn unser Körper jetzt aber am liebsten bei einer Körpertemperatur von 37°C lebt, warum sollten wir uns dann doch aktiv der Kälte aussetzen?

Regeneration Kälte Arm mit Gänsehaut
Gänsehaut ist eine Form unseres Körpers, um Wärme zu produzieren. | Foto: Pixabay

Wie kaltes Wasser wirkt

Wie wir bereits oben gesehen haben, ist der Mensch ein Warmblütler und unser Körper liebt es in Balance zu sein. Ist die sogenannte Homöostase gestört, kann unser Körper krank sein bzw. werden. Alle Kältetherapien u.a. die Wasseranwendungen nach Sebastian Kneipp stören gezielt den Wärmehaushalt des Körpers. Durch einen kurzen Reiz, wie zum Beispiel kaltes Wasser beim Wassertreten, bringen wir unseren Körper für einen Moment aus dem Gleichgewicht. Daraufhin wird im Körper eine Gegen- bzw. Ausgleichsreaktion gestartet, um den Organismus wieder zurück in dieses Gleichgewicht zu bringen. Durch diese Störung unseres Wärmehaushalts können wir aktiv Einfluss nehmen auf:

  • den Stoffwechsel
  • das Herz-/Kreislaufsystem
  • das Immunsystem
  • den Hormonhaushalt
  • das vegetative Nervensystem 

 

Wir unterstützen unser Immunsystem und kurbeln das Herz-Kreislaufsystem an. Aber: Wir tun mit kalten Wasseranwendungen auch etwas für unsere mentale Gesundheit. Setzen wir uns nämlich immer wieder den kalten Reizen aus, wird nicht nur unser Körper resistenter gegen die Temperatur, auch unser Geist wird resilienter. Wir lernen mit unangenehmen Situationen umzugehen.

Thermische Reize wirken also auf unseren gesamten Körper. Auch nach dem Sport. Mittlerweile kennt die Bilder wahrscheinlich jede:r, wie sich bspw. Fußballspieler:innen nach dem Spiel in eine Eistonne setzen. Das wirkt? Ja, das wirkt, haben sogar wissenschaftliche Studien ergeben.

Kaltes Wasser nach dem Sport

Leistungssportler:innen verkürzen mit Eisbädern und Kaltwasseranwendungen ihre Regenerationszeit und reduzieren ihren Muskelkater. Laut dem American College of Sports Medicine kann intensives Training mikroskopisch kleine Risse im Muskelgewebe verursachen. Der Körper reagiert darauf mit Entzündungen, die ein oder zwei Tage nach dem Training auftreten – wir kennen und spüren das als Muskelkater. 

Steigen wir nun in ein Eisbad oder setzen die betroffenen Muskeln kaltem Wasser aus, verengen sich wie oben beschrieben die Blutgefäße in der Muskulatur. Nach der Abkühlung erweitern sich die Gefäße wieder und die Durchblutung wird gefördert. Dadurch können Abfallprodukte besser abtransportiert werden und die Regeneration beschleunigt sich.

Studien haben außerdem ergeben, dass sich Sportler:innen, die nach dem Sport eine Kaltwasserbehandlung haben, weniger müde fühlen und somit auch psychisch schneller regenerieren. Doch was kannst du nach dem Sport genau für Anwendungen machen?

Eisschollen in See
Durch Anwendungen mit kaltem Wasser, können Abfallstoffe schneller abtransportiert werden und somit die Regenerationszeit verkürzt werden. | Foto: Unsplash

Diese Anwendungen kannst du nach dem Sport machen

1. Die Eistonne

Der absolute Klassiker und vor allem gerade sehr im Trend, ist die Eistonne. Dafür brauchst du eigentlich nur eine Wanne mit 12-15 Grad kaltem Wasser oder in Herbst/Winter/Frühling einen Fluss oder See. Einige schwören auf Eisbäder von 11 bis maximal 15 Minuten. Laut Sebastian Kneipp reicht ein kurzer Reiz aus. Deswegen: Starte mit wenigen Sekunden und steigere dich langsam. Jeder Körper ist anders und das Kälteempfinden ist sehr individuell. Achte auf deinen Körper und gehe nicht allein Eisbaden. 

2. Wassertreten

Ein absoluter Klassiker nach Kneipp und perfekt für alle Bergsportler:innen, die direkt nach dem Sport die Beine abkühlen wollen. Hierzu kannst du entweder in eine klassische Wassertretanlage steigen oder einfach den nächsten Bergbach nutzen. Es stärkt das Immunsystem, hilft bei müden Beinen (also sehr gut nach dem Biken oder Wandern), regt den Kreislauf an, fördert die Durchblutung, hilft abends angewendet bei Schlafstörungen und hilft sogar bei Kopfschmerzen oder Bluthochdruck. 

Wichtig davor: Die Füße und Beine müssen warm sein. Dann ab ins Wasser und bei jedem Schritt den Fuß ganz aus dem Wasser, Storchengang, heben. 

Bleibe für ca. 1/2 bis 1 Minute im Wasser bzw. höre auf, wenn ein Kälteschmerz auftritt. Anschließend das Wasser nicht abtrocknen, sondern nur abstreifen, die Verdunstungskälte verstärkt die positiven Effekte. Dann wieder gut Aufwärmen durch Bewegung.

Wassertreten
Wassertreten ist der Klassiker für eine schnelle Kaltwasseranwendung nach dem Sport. | Foto: Lisa Amenda

3. Schenkelguss

Ein weiterer Klassiker nach Kneipp ist der Schenkelguss. Die Güsse sind das Element der Hydrotherapie, das direkt auf Kneipp zurück geht und die er selbst erfunden hat. Und der Schenkelguss ist ideal nach intensiven Einheiten zu Fuß, auf dem Rad oder im Winter auf Ski. Zudem wirkt er blutdrucksenkend, entstauend, durchblutungsfördernd und reaktiv erweiternd auf Arterien sowie tonisierend (kräftigend) auf die Venen. Indem das Blut aus dem Kopfbereich abgeleitet wird, wirkt er beruhigend auf die Nerven sowie schlaffördernd. 

Alles was du dazu brauchst, ist ein Duschschlauch oder eine Gießkanne und kaltes Wasser. Beginne am rechten Bein, am kleinen Zeh und gieße über die Fußaußenkante auf der Außenseite deiner Beinrückseite bis über dein Gesäß und die Hüfte. Dort kurz verweilen und auf der Beininnenseite wieder nach unten und auf der Fußinnenseite bis zum großen Zeh. Das gleiche beim linken Bein. Komme dann wieder zum rechten Bein und starte wieder außen am kleinen Zeh und gieße nun an der Beinaußenseite über die Vorderseite deines Beins bis über die Leiste. Kurz verweilen und innen wieder nach unten zum großen Zeh. Das gleiche wieder links. Zum Schluss beide Fußsohlen abgießen. Die Beine abstreifen und wie beim Wassertreten durch Bewegung wieder aufwärmen.

Wichtig bei allen Anwendungen mit Kälte: Achte darauf, wie du dich fühlst und mache keine Anwendung mit kalten Wasser wenn dir bereits kalt ist. Du erzielst die gewünschte Wirkung nur, wenn du mit einem vorgewärmten Körper startest. 

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Laufen, Radfahren oder Bergsport: Hier findest du alles rund um dein Hobby, deine Auszeit und deine sportlichen Lieblingsthemen! Gemeinsam mit den sportingWOMEN-Markenbotschafterinnen sowie weiteren Sport-Expertinnen inspiriert und motiviert die #strongHER-Redaktion mit spannenden Storys, Tipps und mehr.

Lisa Amenda

Lisa Amenda

Lisa Amenda studierte in München und Innsbruck Geographie, weil sie ursprünglich mal lieber draußen statt drinnen arbeiten wollte. Ihre Liebe zum Schreiben hat sie dann doch vor den Computer gebracht. Deswegen schreibt sie heute für diverse Outdoor- sowie Skimagazine und ihren Blog Wild Recreation über Nachhaltigkeit, Outdoorsport und die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Nebenbei unterrichtet sie Yoga und gibt Kneipp Coachings.

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