Vegane Sporternährung ist längst kein Trend mehr, sondern fester Bestandteil des Alltags vieler (Top-) Sportler:innen. Aber was sollte man beachten, wenn man die Entscheidung trifft, sich künftig vegan zu ernähren? Jules von eatrunhike.de ist nicht nur Trailrunnerin und Guide, sondern auch bekennend vegan unterwegs. Hier kommen ihre fünf Regeln für vegane Sporternährung.
Die gute Nachricht zuerst: Die schockierten Gesichter, die ich zu Beginn meiner Ernährungsumstellung hin zu veganer (Sport-)Ernährung 2019 gesehen habe, werden langsam weniger. Die fragenden Gesichter, wenn sie hören, dass ich so viele Sportarten betreibe, allerdings nicht. Und so werden immer wieder folgende Fragen an mich herangetragen:
„Hast du denn genügend Kraft, wenn du nur Obst und Gemüse isst?“
„Du bekommst doch bestimmt zu wenig Proteine!“
„Und was ist mit Calcium, steigt nicht dein Verletzungsrisiko?“
Vegane Sporternährung: Diese Sportler:innen setzen drauf!
Die Fragen zeichnen das Bild eines blassen, schwachen und kränklichen Menschen. Dabei steigt die Zahl der Sportler:innen stark, die auf vegane Sporternährung setzen, und auch in den Medien werden vegane Athlet:innen immer präsenter. Und die sind alles andere als blass, schwach oder kränkelnd. Wusstest du, dass sich diese Athlet:innen vegan ernähren?
Scott Jurek, Ultra Trail Runner (hält den Geschwindigkeitsrekord auf dem Appalachian Trail (3523 km))
Gerlinde Kaltenbrunner, Bergsteigerin
Florian Neuschwander, Ultra Trail Runner
Lewis Hamilton, Formel-1-Fahrer
Venus Williams, Tennisspielerin
Valeska Schneider, Surferin
Luisa Schulze, Handballerin
Carl Lewis, Leichtathlet (vegan seit 1990)
Vegane Sporternährung? Diese Regeln helfen ...
Inzwischen setzen auch Hobby-Athlet:innen und Freizeitsportler:innen immer häufiger auf eine vegane Sporternährung und Alltagsernährung. Viele davon, weil sie sich eine Leistungsverbesserung versprechen. Damit diese auch eintritt und vor allem keine Mangelerscheinungen auftreten, gibt es einige Regeln, die du beherzigen solltest. Vegane Ernährung bedeutet nämlich nicht automatisch gesund, genauso wenig wie omnivore Ernährung.
Stark verarbeitete Lebensmittel, Süßigkeiten, Fertiggerichte und anderes veganes Junk-Food gibt es inzwischen überall und in großer Auswahl zu kaufen. Hier gilt: in Maßen genießen, in Massen abschießen. Denn wie bei jeder Ernährungsform, musst du sicherstellen, dass deine Ernährung vollwertig gestaltet ist
1. Nutze bei veganer Sporternährung Kohlenhydrate als Energiequelle Nummer eins
Komplexe Kohlenhydrate (Mehrfachzucker) versorgen dich neben Energie mit Vitaminen und Ballaststoffen. Dein Blutzuckerspiegel steigt nur langsam an und du bist länger satt. Ballaststoffe, die faserreichen Bestandteile pflanzlicher Lebensmittel, sorgen für eine gute Verdauung.
Vor einem Wettkampf esse ich zum Beispiel am liebsten Kartoffelprodukte wie Gnocchi. Nudeln aus Vollkornmehl, Hirse, Naturreis und Mais geben dir ebenfalls einen ordentlichen Energie-Boost.
Süßkartoffel Gnocchi mit Spinat Pesto und Cashew-“Parmesan” von eatrunhike.de
Einfache Kohlenhydrate (Einfachzucker) wie Weißbrot, Kuchen oder Cornflakes liefern dir schnell Energie und lassen deinen Blutzuckerspiegel sprunghaft ansteigen. Was schnell steigt, fällt allerdings auch schnell wieder – und so macht sich bald wieder Hunger breit. Gerade bei Ausdauersportarten ist das äußerst ungünstig. Abgesehen davon, ist die Nährstoffdichte sehr gering.
Greife deswegen hauptsächlich zu komplexen Kohlenhydraten und snacke Saaten und Nüsse, die gleichzeitig wertvolle Fette liefern.
2. Setze auf pflanzliche Proteine für Gewebe und Muskeln
Die Frage nach Eiweiß wird Veganer:innen häufig gestellt. Die Sorge ist allerdings völlig unbegründet, denn eine vegane Sporternährung kann sehr gut und vor allem einfach eiweißreich gestaltet werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt als optimale Proteinzufuhr für Erwachsene 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Sportler:innen brauchen je nach Sportart und Intensität mehr Eiweiß, das heißt etwa 1,2 bis 1,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht.
Seitan (Dinkel- o. Weizenprotein) liefert 28 g pro 100 g,
Kürbiskerne punkten mit 35 g und Tofu immerhin noch mit 15 g.
Ein Steak liefert im direkten Vergleich 18,6 g.
Weitere gute vegane Eiweißquellen sind Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Lupinenprodukte, Brokkoli, Quinoa, Haferflocken, Nüsse und Samen.
Soja und Sojaprodukte sind eine hochwertige Eiweißquelle. Aber es schwirren einige Mythen und Fehlinformationen durch das Internet, die sich hartnäckig halten, zum Beispiel die Angst um Phytoöstrogene.
Lass dir gesagt sein: Soja ist nicht gefährlich, solange du keine äußerst seltene Sojaunverträglichkeit hast.
Im Gegenteil, Soja ist – egal ob fermentiert oder unfermentiert – sehr gesund, gut verdaulich, cholesterinfrei und kann u.a. vor Osteoporose und Brustkrebs schützen.
Proteinreiche Bowl von eatrunhike.de
3. Setze auf die Grain-Green-Bean-Formel
Wenn du auf diese Formel achtest, hast du schon viel für ein leckeres, sättigendes und gesundes Gericht richtig gemacht. Wenn du dann auch noch frisch kochst, sowie saisonal und regional einkaufst, kann eigentlich kaum mehr etwas schiefgehen. Aber was bedeutet die Formel genau? Eigentlich kannst du sie eins zu eins übersetzen: ein Getreide, Gemüse, bevorzugt Grünes und eine Hülsenfrucht.
Getreide wie Hirse, Bulgur, Couscous, Graupen, Ebli, Reis, Quinoa, Pasta aus Vollkornmehl und Seitan z.B. aus Dinkelmehl
Grünzeug wie Brokkoli, Romanesco, Blumenkohl, Rosenkohl, Weiß- und Rotkohl, Spitzkohl, Chinakohl und Pak Choi, Mangold (alle Farben), Wirsing, Spinat, Portulak, Kohlrabi und weiteres Gemüse wie Zucchini, Spargel, Karotten, Paprika, Fenchel etc.
Hülsenfrüchte wie Linsen (alle Farben), Kichererbsen, Bohnen (alle Farben), Erbsen, Edamame (grüne Sojabohnen), Sojaprodukte wie Tofu und Tempeh.
Wie du in meiner Liste sehen kannst, ist die Auswahl sehr umfangreich. Damit kannst du unzählige Reis- und Nudelgerichte, Suppen, Eintöpfe und Currys sowie Salate und Bowls in immer neuen Kombinationen zubereiten, die Kohlenhydrate, Proteine, Ballaststoffe und diverse Mineralstoffe und Vitamine enthalten.
Die DGE empfiehlt übrigens 250 g Obst und 400 g Gemüse am Tag. Diese Zahl bezieht sich auf einen Durchschnitt, der auf lange Sicht eingehalten werden sollte.
Veganes Curry (Foto: Unsplash)
4. Behalte bei veganer Sporternährung kritische Nährstoffe im Auge
Ein kritischer Nährstoff, auf den Veganer:innen immer direkt angesprochen werden: Vitamin B12. Gute Vitamin-B12-Lieferanten sind Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte sowie Eier und Milchprodukte. Diese Produkte befinden sich aber nicht auf dem veganen Speiseplan. Weitere potentiell kritische Nährstoffe sind die Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) sowie Vitamin D, Eisen, Selen, Zink, Jod und Calcium. Viele dieser Nährstoffe kannst du durch eine ausgewogene Ernährung zu dir nehmen. Selen steckt in Paranüssen, Eisen in Kürbiskernen und Haferflocken (mit Fruchtsäuren einnehmen, um die Resorption deutlich zu erhöhen), Jodsalz und viele Milchalternativen sind inzwischen mit Calcium angereichert.
5. Teste und supplementiere
Heutzutage gibt es Unmengen an Nahrungsergänzungsmitteln. Von All-in-one-Präparaten, die eine grundsätzliche Versorgung sicherstellen sollen, bis hin zu einzelnen Supplementen. Ersteres ist zwar sehr bequem und in der Summe oft günstiger, aber es kann trotzdem zu einer Unter- oder Überversorgung kommen. Letzteres bedarf einer breiteren Auseinandersetzung mit dem Thema Nährstoffe.
Aber eine “richtige” Versorgung kann auch nur dann sichergestellt werden, wenn du weißt, wie dein Körper arbeitet. Du solltest zu Beginn deiner Ernährungsumstellung ein großes Blutbild machen lassen, inklusive Eisen, B12 (Holo-TC), Vitamin D (25-OH-Vitamin D) und eventuell Zink, Jod und Vitamin B2, um gegebenenfalls bestehende Unter- oder Überversorgungen oder grenzwertige Werte zu erkennen und anzugehen. Den Bluttest solltest du regelmäßig wiederholen – auch um dir ein Gefühl zu geben, wie sich eine vegane Ernährung auswirkt, und die Sicherheit, dass du gesund bist.
Hinweis: Diese fünf Regeln decken natürlich längst nicht alle Informationen ab, die du für eine gesunde vegane Sporternährung benötigst. Und, ja, sie gehen auch nicht in die Tiefe. Aber sie geben einen ersten kurzen Überblick, um dir zu zeigen, dass Sportler sich ohne Nachteile vegan ernähren können.
Über Julia “Jules” Topp von eatrunhike.de
Hesse Mädsche, das aus Liebe zu den Bergen nach München gekommen ist. Du findest sie beim Trailrunning, Wandern, Bouldern, Yoga und als vegane Foodie natürlich in der Küche.
Jules hatte am Anfang ihrer Umstellung zu veganer Ernährung mit Augenrollen und Vorurteilen zu kämpfen. Inzwischen ist aus der Ernährungsumstellung eine Leidenschaft geworden, weswegen sie sich aktuell in der Fachfortbildung zur veganen Sport-Ernährungsberaterin befindet.
Wer Jules besser kennenlernen möchte, sollte unbedingt ihren Blog besuchen.
WEB eatrunhike.de
IG @jules_eatrunhike
Bilder von Jules:
oben: Andreas Jacob
unten: Sportograf